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Grand National: Beliebtes Sportereignis oder schauriger Tierfriedhof?

Wo hört der Sport auf und fängt die Tierquälerei an? Am englischen Grand National, dem wohl berühmtesten wie auch berüchtigtsten Galopp-Jagdrennen der Welt, scheiden sich alljährlich die Geister. Rund 75.000 Besucher fasst das Renngelände in Aintree, östlich von Liverpool, während des alljährlichen Spektakels, das vornehme Reitsportfreunde wie wilde Partygäste gleichermaßen mit Begeisterung auf den Plan ruft. Gleichzeitig ist die hindernisreiche Rennstrecke jedoch Schauplatz zahlloser Stürze und schwerer Verletzungen und bedeutete für viele Tiere nicht nur das Ende ihrer Laufbahn, sondern auch ihres Lebens. Tierschützer setzen deshalb alles daran, das Event zu boykottieren und die Brutalität zu stoppen.

Gesellschaftliches Großevent mit langer Tradition

Gegen die häufige Kritik, dass das Hindernisrennen zu riskant sei, steht eine lange Geschichte: Grand National wird bereits seit 1836 alljährlich, traditionell am ersten Wochenende im April abgehalten, und lockt nicht nur tausende Besucher an, sondern inzwischen auch Millionen Zuschauer vor den Fernseher. Bekannt ist es als eines der schwersten Rennen, bei dem die Pferde und Reiter 7,2 Kilometer und 30 Hindernisse, etwa die Hälfte davon sogar zweimal, überwinden müssen. Für die Engländer ist das Rennen alljährlich ein beliebtes Spektakel, dem nicht nur die britische Oberschicht, sondern auch zahlreiche partylustige Normalbürger in der Regel elegant gekleidet beiwohnen, dieses oftmals aber betrunken und wenig stilvoll verlassen, wie die Bild-Zeitung im April 2019 berichtete und Eindrücke vom wilden „Ladies Day“ dokumentierte, bei dem Frauen günstigere Eintritt- und Getränkepreise genießen können und deshalb ausgiebig feiern.

Grand National
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Trotz Sicherheitsmaßnahmen: die Todesstatistik bleibt erschreckend

Während der ausgelassene Trubel und das Stürzen in hohen Pumps eher amüsiert, sind die bisher verzeichneten Stürze der Pferde und Reiter eine weitaus ernstere Angelegenheit. In den letzten Jahren fanden über 35 Tiere auf der Strecke den Tod, nur ein Bruchteil der an den Start gehenden Pferde erreichen alljährlich das Ziel, was wiederum zur weit verbreiteten Kritik führt, dass das Rennen zu riskant sei. Während der Organisator des Grand National, Julian Thick, gegenüber Spiegel betonte, dass die Sicherheit oberste Priorität habe, zeugt die erschreckende Geschichte von einer anderen Realität, im Schnitt stirbt pro Rennen ein Pferd. In den vergangenen Jahren wurden diverse Vorkehrungen getroffen, um die Gefahren zu verringern: 1990 wurde die Höhe der Hecken reduziert, was jedoch dazu führte, dass die Reiter die Hindernisse mit größerem Tempo angingen und sich die Zahl der Stürze weiter erhöhte. Das Auffüllen von Wassergräben und Verwenden von Plastik im Kern der Hindernisse brachte ebenfalls kaum eine Verbesserung. Inzwischen dürfen nur noch erfahrene Pferde antreten, was zeitweilig die fatalen Folgen reduzierte – zwischen 2013 und 2017 fiel kein Tier dem Rennen zum Opfer, 2019 kam es jedoch erneut zu drei weiteren tödlichen Unfällen.

im Schnitt stirbt pro Rennen ein Pferd
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Brutaler Tod per Live-TV

Besonders brutal ist, dass der Todeskampf der Rennpferde in der Regel von den Fernsehteams vor Ort gefilmt und in alle Welt ausgestrahlt wird. Das Hindernis „Becher‘s Brook“, bei dem der Aufsprung tiefer als der Absprung liegt und das zweimal überquert werden muss, gilt als besonders waghalsig und wurde 1989 zum tragischen Schauplatz, als ein Pferd im Wassergraben zu ertrinken drohte, während ein weiteres Pferd nach seinem Sturz noch vor Ort eingeschläfert wurde. 2012 verloren zwei weitere Pferde dort ihr Leben sowie im Jahr zuvor der zehnjährige Rennstar Donneys Gate, der mit einem gebrochenen Rückgrat am Hindernis verendete.

Moderner Tierschutz: digitale Rennbahnen bieten Wettfiber ohne Risiko

Warum dem Rennen dennoch kein Ende gesetzt wird, liegt auf der Hand: für kein Sportereignis wird in Großbritannien so viel Geld ausgegeben wie für das Grand National. Laut Der Welt wurden im Jahr 2015 insgesamt 200 Millionen Euro auf insgesamt 40 Rennpferde gesetzt – in Wettbüros wie auch bei Online-Wetten. Das Ereignis ruft Wettspieler auf den Plan, die üblicherweise kaum Interesse am Pferdesport haben. Unter Freunden und Arbeitskollegen werden sogenannte „Sweepstakes“ veranstaltet – Wetten mit niedrigen Einsätzen, bei denen der Wettsieger den gesamten Gewinn heimträgt oder, im Fall dass niemand gewinnt, der Ertrag an einen gemeinnützigen Zweck gespendet wird. Fraglich ist, ob im elektronischen Zeitalter tatsächlich brutale Rennen wie das Grand National tatsächlich nötig sind, um die Wettkassen klingeln zu lassen. Online-Slots wie „Mustang Gold“ finden auf einer virtuellen Rennbahn statt, erlauben es Quoten und Jockeys zu studieren und auf den Favoriten zu setzen – kurzum, sie bieten ähnliche Spannung und Nervenkitzel wie ein echtes Pferderennen, während kein Tier dabei sein Leben riskieren muss.

Boykott des Grand National: eine Frage der Weltanschauung

Tierschutzgruppen bezeichnen das britische Galopp-Jagdrennen als „die schlimmste Form der Massenunterhaltung“, wie Die Welt weiter berichtete. Die britische Website der Tierschutzorganisation PETA brachte 2016 das Hashtag #YouBetTheyDie auf – zu Deutsch „du kannst darauf wetten, dass sie sterben“, ein sadistisches Wortspiel, dass wettfreudige Briten auf sozialen Netzwerken wie Twitter öffentlich zur Verantwortung zieht. Dene Stansall, Autor eines Buchs über die Brutalität des britischen Pferderennsports, bezeichnete im Gespräch mit Deutschlandfunk die Diskussion um den  Boykott des Grand National als Kulturfrage und Weltanschauung, wie Tiere behandelt werden sollten. Die Domestizierung und Kontrolle von Pferden stehe im direkten Gegensatz zu deren Bestreben nach Freiheit, und ihre Geschichte als dem Menschen unterlegene Rasse sei erst ein paar tausend Jahre alt, während es sie bereits seit Millionen Jahren auf der Erde gebe.

die schlimmste Form der Massenunterhaltung? 
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Profit oder Tierschutz – angesichts der Höhe des jährlichen Profits, dass das Grand National einbringt, scheint diese Frage nicht leicht zu beantworten zu sein. Wenngleich die Verantwortlichen betonen um eine größere Sicherheit für Pferde und Reiter besorgt zu sein, lässt sich keine Verbesserung der Unfallstatistik nachweisen. Die einzige Lösung dem Grauen ein Ende zu bereiten wäre ein Boykott durch Besucher und Wettteilnehmer, doch bis dahin scheint der Weg weit, ist das Rennen doch eines der beliebtesten nationalen Events der Briten.
 
Frage der Weltanschauung: Haben Menschen das Recht, Pferde zum Sport zu nutzen?

 
Achtung Hinweis!
Onlinecasinos sind erst für Spieler erlaubt, die mindestens 18 Jahre alt sind. Glücksspiel kann in Spielsucht enden. Weitere Infos und Hilfe finden Sie unter 
BZgA.
 

18.10.2019